Deutschland / Türkei Bundespräsident Johannes Rau-Journalistenstipendium
Das Deutsch-Türkische Journalistenstipendium wurde im Jahr 2006 in enger Zusammenarbeit mit der Stiftung Mercator gegründet. Damals war die Welt eine andere. Die Türkei strebte in die westlichen Strukturen, die Medien in Ankara und Istanbul waren vergleichsweise frei. Vor dem Hintergrund der deutsch-türkischen Beziehungen lag es nahe, jungen deutschen Reporter:innen einen zweimonatigen Aufenthalt in diesem wichtigen Grenzland zwischen Europa und Asien zu ermöglichen. Gleichfalls war es für türkische Journalist:innen eine Chance, für eine längere Zeit bei einem Gastmedium in Deutschland zu hospitieren. Alt-Bundespräsident Johannes Rau gab persönlich die Erlaubnis, diesem Stipendium seinen Namen zu geben. Seitdem haben Hunderte von deutschen und türkischen Journalist:innen Aufenthalte im jeweiligen Gastland absolvieren können, treffen sich alljährlich bei Alumni-Veranstaltungen in Istanbul und nutzen das Netzwerk für eigene Recherchen.
Nach 2016 änderte die türkische Regierung ihre Medienpolitik, verschärfte die Zensur. Reporter ohne Grenzen stufte 2023 die Türkei in ihrem Pressefreiheitsindex auf Platz 165 von insgesamt 180 Ländern ein. Die Einschränkung der Medienfreiheit in der Türkei hat Folgend für das Bundespräsident Johannes Rau Programm: Deutsche Journalist:innen bekommen keine Akkreditierung, um in der Türkei arbeiten zu können. Reporter:innen, die den Präsidenten in den türkischen Medien kritisieren, Korruption und Vetternwirtschaft aufdecken, drohen ins Gefängnis geworfen zu werden. Um die Sicherheit der Stipendiat:innen nicht zu gefährden, entsenden die IJP derzeit keine deutschen Reporter:innen nach Istanbul oder Ankara.
Dennoch bieten wir jährlich 10 bis 12 interessierten Journalist:innen die Chance, mit türkischen Kolleg:innen zusammenzukommen und gemeinsam Tandem-Projekte zu entwickeln. In den Monaten Oktober und November können deutsche und türkische Journalist:innen gemeinsam recherchieren, Artikel verfassen, Radiobeiträge entwickeln, TV-Beiträge oder Dokus drehen. Da dies am Bosporus nicht möglich ist, arbeiten deutsche und türkische Journalist:innen in sicheren Drittländern zusammen, etwa in Deutschland oder einem anderen EU-Land. Das Themenspektrum ist breit angelegt, hier nur einige Anregungen: bilaterale Beziehungen, Menschen- oder Minderheitsrechte, Klimawandel, Türken in Deutschland, Laizismus, Türkei und die EU, Flüchtlinge in Europa, Integration, Erweiterung der Kulturkreise, Religionsaspekte, Wahlen, usw. Alle Veröffentlichungen sollten entweder auf Deutsch, Türkisch oder Englisch erfolgen, gerne auch bilingual.
Sobald sich die medienpolitische Lage in der Türkei verbessert, wird die IJP wieder zurückkehren zum traditionellen Programmablauf.
Unabhängig davon können junge türkische Journalist:innen weiterhin bei Medien in Deutschland ihr Stipendium absolvieren.
Ablauf
Die deutsch-türkischen Tandems werden während einer gemeinsamen Einführungsveranstaltung in Istanbul oder Berlin zusammengestellt. Im Anschluss an die Konferenz beginnen die türkischen Stipendiat:innen ihre Platzierungen in den deutschen Gastredaktionen. Selbstverständlich können sich auch Tandems bereits gemeinsam für dieses Projekt bewerben.
Nach Rückkehr aus dem Ausland verpflichten sich die Stipendiat:innen, einen mindestens dreiseitigen Erfahrungsbericht sowie Kopien der veröffentlichten Beiträge vorzulegen.
Bewerbung
Bewerben können sich Journalist:innen sowie deutsche Alumni aller IJP Programme zwischen 25 und 45 Jahren, die als freie Mitarbeiter:innen, Volontär:innen oder Redakteur:innen bei Medien in Deutschland tätig sind. Die Bewerber:innen müssen nicht über Türkisch-Kenntnisse verfügen, sollten aber die englische Sprache in Wort und Schrift sehr gut beherrschen.
Weitere Informationen zu den einzelnen Bewerbungsunterlagen sind in der aktuellen Ausschreibung (PDF) zu finden.
Stipendienzahlung
Insgesamt können fünf Tandem-Stipendien in Höhe von jeweils 1.800 Euro an Journalist:innen aus Deutschland vergeben werden. Journalist:innen aus der Türkei erhalten für ihren Aufenthalt einen einmaligen Stipendienbetrag von 3.800 Euro ausgezahlt. Dieser Betrag soll die Reisekosten, den Aufwand für Unterkünfte und Lebenshaltung im Recherche- und Produktionszeitraum unterstützen. In begründeten Fällen kann die Höhe des Stipendiums nach oben korrigiert werden.
„Der Austausch mit den anderen Kolleginnen und Kollegen hat mir geholfen, mein Wissen zu vertiefen, mich für Themen in der Türkei zu begeistern und zu sensibilisieren – und mir die Möglichkeit gegeben, mit vielen tollen und interessanten Menschen in Kontakt zu kommen. Ich kann das Programm wirklich allen empfehlen – auch Türkei-Neulingen.“
Anne Martin (Der Spiegel) | Stipendiatin 2021